Testbericht
Leica M9 im Test
Leica hat bei der M9 die Kinderkrankheiten der M8 bekämpft und die kleinste Vollformatkamera des Marktes geschaffen.
- Leica M9 im Test
- Datenblatt
Fast alle Änderungen der M9 zum Vorgänger M8/M8.2 stecken unter der Haube. Während Veränderungen bei der immer noch wie aus einem Block gefrästen M-Mechanik kein Thema sind, hat sich im Inneren des bewährt handlichen, aber gewichtigen Gehäuses ein Vollformat-Chip mit 18,5 Megapixeln eingenistet. Das bedeutet: Neue Bildverarbeitung, neue Prozessoren, Kompression im JPEG-Format und kein Verlängerungsfaktor für die M-Objektive mehr. Die unkomprimierte Speicherung ins Leica DNG-Format ist geblieben.
Zudem scheinen sich die Solmser den ColorFoto-Testbericht vom Januar 2007 zu Herzen genommen zu haben, und alles daran zu setzen, beim neuen Modell die dort geschilderten Kinderkrankheiten abzustellen. Die zu starke Infrarot-Empfindlichkeit wurde durch einen dünnen, aber kräftigen Sperrfilter vor dem Chip abgestellt. Das Gleiche gilt für den Smear-Effekt, den die M8 anfangs zierte.
Bedienung
Auch die damals kritisierte unpraktische Belichtungskorrektur des ansonsten übersichtlichen Menüs hat Leica überarbeitet. Die Blenden-Korrekturstufen stellt jetzt elegant das Drehrad um die Vierrichtungs-Cursortasten ein. Allerdings: Puristen empfinden diese Blendenkorrektur als völlig unnötige Reminiszenz an die moderne Zeit. Wichtiger ist - gerade wegen der weitgehend manuellen Einstellung die Möglichkeit, eine Belichtungsserie mit bis zu 7 Bildern durchzuführen. Ein Histogramm mit wahlweiser Lichterwarnung hilft bei der Wiedergabe Überbelichtungen zu erkennen.
Schade allerdings dass die Blitz-Synchronzeit mit dem neuen Verschluss auf 1/180 sank. Der deutlich leisere Lamellenverschluss schafft noch 1/4000 Sekunde - früher war es 1/8000 Sekunde. Auch die Empfindlichkeitseinstellung hat jetzt einen eigenen Einstellknopf und ISO 80 statt ISO 160 ist möglich. Ansonsten: Bedienung wie seit Jahrzehnten gewohnt. Bei einer Messsucher "schaut" kein Spiegelreflexsucher durchs Objektiv. Stattdessen sitzt links oben ein optischer Sucher, in dem ein Leuchtrahmen den Bildausschnitt definiert. Mit einem Hebel kann dieser auf die gerade verwendete Brennweite angepasst werden. Sonst wüsste der Fotograf nicht, wie weit sein Bildausschnitt reicht.
Zoomobjektive sind im M-System kein Thema. Scharfstellen ist auch nur manuell möglich, allerdings geht das Nachführen recht zügig, dank einer deutlich sichtbaren Schnittbild-Überlagerung. Dabei bringt der Fotograf ein zweimal in den Sucher eingespiegeltes Motivdetail zur Deckung. Blendenautomatik ist ebenfalls Pustekuchen - eine einsame rote Anzeige (Punkt oder Pfeil) sagt den Vorschlag des eingebauten Belichtungsmessers an - drehen muss man an den extrem handlichen Objektiven schon selbst. Überlässt man die Belichtungszeit der einzig vorhandenen Zeitautomatik, blendet der Sucher die vorgeschlagene Zeit ebenfalls ein.
Mehr Automatik ist nicht, Schärfe , Kontrast und Sättigung können justiert werden, genau wie der Weißabgleich, auf 100 Kelvin genau - das war's. Belichtungsprogramme, justierbare Kontrast- oder Rauschverbesserungsschaltungen gibt es keine. Längere Linsen verdecken einen Teil des Suchers, den der Unachtsame mit Fingerabdrücken übersät und damit trübe Ausblicke aufs Motiv riskiert. Akku und SD-Speicherkarte sitzen unter dem Bodendeckel, der für jeden Wechselt vom Stativ und dann von der Kamera zu lösen ist. Der Öffnungshebel sieht noch immer aus, wie der Spulmechanismus der Filmrolle.
Für dieses sympathische und wohltuend andere, aber in Teilen auch etwas anachronistische Paket ruft Leica einen Bodypreis von - Achtung anschnallen - 5495 Euro auf, einschließlich einer Vollversion von Photoshop Lightrooms, die der Kunde mit seiner Registriernummer aus dem Internet lädt.
Preistreibend machen sich die speziellen DSP-Prozessoren in der Kamera bemerkbar. Sie sind programmierbar, das bedeutet, wenn Leica will, kann via Update zukünftige Funktionalität angepasst werden. Damit sind komplett neue Funktionen, Bildformate etc. realisierbar, also wesentlich mehr als per Firmware-Update in vielen Standard-SLRs möglich ist. Bleibt zu hoffen, dass Leica von dieser Möglichkeit auch Gebrauch macht. Normale Software-Updates sind über die SD-Card möglich.
Testergebnisse
Der neue Kodak-Vollformat-Chip macht seine Sache sehr gut. Der Bildlook, das Spiel mit der Schärfentiefe - hervorragend. Es waren im Sichttest keine Doppelkonturen oder Ausblühungen in den Bildecken zu sehen, der einzige negative Effekt, der in JPEG-aufnahmen auffiel, war eine Art Solarisation in dunklen Bildteilen, wo sich bei 100%-Vergrößerung statt feiner Grauabstufungen bisweilen schwarze Flecken zeigten. Das Messlabor fand denn auch bei erhöhter Empfindlichkeit in den für die Testergebnissen genutzten DNGs einen recht geringen Objektkontrast von nur mehr 6,5 Blendenstufen. Da die DNGs ein gutes Stück besser als die JPEGs sind basiert der Test auf den DNG-Ergebnissen.
Auffällig gut ist in DNG-Bildern, wie wenig die Kamera feine Strukturen wegkomprimiert. Details bleiben erhalten. Da gab auch das Messlabor hohe Punktzahlen, nur Pentax erzielt hier noch bessere Ergebnisse, lässt aber auch mehr Rauschen im Bild.
Besonders gut gefielen in der Praxis die Retro-Ergebnisse im extra einstellbaren warmgetönten Schwarzweiß-Look. Da kommt die volle Ästhetik des Systems zur Geltung. Auch die Schärferegelung darf der Fotograf durchaus von normal auf hoch setzen, wenn er einen knackigen Look und große Abzüge bevorzugt. Das Messlabor verteilte aber auch im Standard-Modus bereits Bestnoten. Fast 1600 Linienpaare bei ISO 100, das ist enorm. Vollformat-Konkurrent Canon 5D MKII kam allerdings auf 1600 Linienpaare.
Bis ISO 2500 reicht die Empfindlichkeit der M9. Selbst dort ist ihre Körnigkeit, sorry Rauschen, durchaus akzeptabel, wenngleich deutlich sichtbar. Das Messlabor stellte ein erhöhtes Rauschen ab ISO 800 fest und vergab gegenüber Spitzenmodellen von Canon und Nikon leicht reduzierte Punktzahlen. Die Kamera löst mit ihrem mechanischen Aufzugsverschluss sehr schnell aus.
Auf Wunsch kann der Auslöser auch festgehalten werden, um das Aufzugsgeräusch zu unterdrücken. Serientauglich ist er freilich nicht. Die maximale Bildfolgezeit liegt gerade einmal bei 1,6 Bildern/s. Die Konkurrenten sind bei ca. 6 B/s angekommen. Und trotz des neuen Rotfilters ist die Farbabweichung noch höher als bei vielen SLR-Kollegen. Im Sichttest störte jedoch nur ein rötlich gefärbter Gegenlichtschleier und etwas zu gelbe Blumen das insgesamt gute Farbempfinden.
In der Praxis ist der Umgang mit den kleinen Festbrennweiten der M-Serie eine Freude. Die Leica ist altmodisch, umständlich und von geringer Ausstattung. Aber sie zwingt den Benutzer stets aufs Neue, sich aufs Fotografieren und aufs Motiv einzulassen - und sie stellt das Handwerkszeug für qualitativ höchstwertige Aufnahmen zur Verfügung.
Fazit: Die M ist schon lange eine Legende, umso erfreulicher, dass Leica nun im neuen Jahrtausend auch ein paar technologische Kaufgründe beisteuern kann: Überzeugende Bildqualität dank Vollformatsensor ist ein echtes Argument. Damit steigen aber auch die Anforderungen an die Scharfstellhilfen. Das ungewohnte Deckungsbild im Sucher stellt Neueinsteiger auf die Probe, und der kleine Monitor ist nicht mehr zeitgemäß. Ferner darf Leica auch gerne über M-Objektive mit Bildstabilisator nachdenken. Mit seiner umständlichen oder besser automatikfreien Bedienung kann die Kamera im ColorFoto-Test nicht mehr ganz vorne mitspielen - die Bildwertung jedoch für sich alleine ist Top.
Leica M9
Leica M9 | |
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Hersteller | Leica |
Preis | 6000.00 € |
Wertung | 31.5 Punkte |
Testverfahren | 1.6 |
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