Ratgeber

Praxiswissen: Objektive

12.3.2008 von Redaktion pcmagazin und Horst Gottfried

Jede Objektivkategorie hat ihren eigenen Charakter. Welches Objektiv passt zu welchen Motiven und Aufnahmesituationen?

ca. 7:30 Min
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  1. Praxiswissen: Objektive
  2. Kurz und knapp - Abkürzungen und ihre Bedeutung
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Da die Brennweite den Bildwinkel bestimmt, hat sie von allen Objektiveigenschaften den größten Einfluss auf die Bildwiedergabe. Allerdings ist es nicht die Brennweite alleine, sondern erst das Verhältnis von Brennweite zu Sensorgröße, das den Bildwinkel bestimmt. Beim Olympus-System ist der Sensor (Diagonale) beispielweise nur halb so groß wie bei einer Vollformat-SLR-Kamera. Deshalb erzielt an einer Olympus ein 25-mm-Objektiv den gleichen Bildwinkel wie ein 50-mm-Objektiv an einer Vollformat-SLR. Die Brennweitenangaben in diesem Text beziehen sich zur allgemeinen Vergleichbarkeit immer auf das 24 x 36-mm-Format des Kleinbildfilms. Wenn Sie das gleiche Objektiv an einer Kamera mit kleinerem Sensor verwenden, dient der "Verlängerungsfaktor" zur Umrechnung. Ein Verlängerungsfaktor von 1,5 bedeutet, dass ein 50-mm-Objektiv an der digitalen SLR-Kamera einen Bildwinkel wie ein 75-mm-Kleinbild-Objektiv an einer Vollformatkamera liefert. Die physikalische Brennweite des Objektivs bleibt dabei selbstverständlich unverändert.

Normalobjektive: AllrounderWas ein Normal- oder Standardobjektiv ist, wird darüber definiert, was der Mensch auf einen Blick erfasst, wenn er wohin guckt und die Augen nicht bewegt. Das entspricht einem Winkel von rund 40 bis 50°. Dieser Bildwinkel ergibt sich mit einem Objektiv immer dann, wenn seine Brennweite in etwa so groß wie die Diagonalen des Bildformates ist. Daraus ergibt sich beim 24 x 36-mm-Format mit 43 mm Diagonale eine Brennweite zwischen 40 mm und 50 mm für das Normalobjektiv. Das Auffälligste an Fotos mit dem Normalobjektiv ist, dass sie so unauffällig sind. Auch die Perspektive des Normalobjektivs entspricht den Sehgewohnheiten des menschlichen Auges. Das Motiv erscheint in keiner Form überzeichnet, sondern angenehm neutral, ohne vorspringende Nasen oder flache Kulisseneffekte.


Brennweitreihe 12-35mm
Die Brennweitenreihe wurde von unterschiedlichen Standpunkten aus aufgenommen. So bleibt das Hauptmotiv immer gleich groß, aber die Perspektive wird sichtbar verändert ...
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Die Normalobjektive sind universell einsetzbar. Gut zu der Rolle als "Objektiv für alle Fälle" passt die meist hohe Lichtstärke. Blende 2 oder gar 1,4  gibt es bei keinem anderen Objektiv für weniger Geld. Standardobjektive helfen zudem nicht nur unter schlechten Lichtverhältnissen weiter, sondern fördern darüberhinaus den gestalterischen Umgang mit der Schärfentiefe.

Praxis-Tipp: Fotografieren Sie ein Ereignis, sei es eine Kirmes oder einen Wochenendausflug mit Familie oder Freunden, mal nur mit einem Normalobjektiv. Das schult den Blick ungemein.Mögliche Probleme: Keine, auf Dauer allein vielleicht doch ein bisschen langweilig.

Weitwinkelobjektive: Viel draufWer mehr von seiner Umgebung im Foto festhalten will als mit einem Normalobjektiv möglich, braucht einen größeren Bildwinkel (Brennweiten unter 50 mm). Diese Objektive werden als Weitwinkel bezeichnet. Weitwinkelobjektive mit Bildwinkeln von 60° und mehr sind Multi-Talente. Sie erlauben es, selbst kleinste Räume eindrucksvoll ins Bild zu setzen. Wie effektiv Weitwinkelobjektive dabei sein können, haben Sie vielleicht selbst schon mal beim Vergleich Ihres Hotelzimmers im Urlaub mit seinem Abbild im Reisekatalog festgestellt. Unter anderen Aufnahmebedingungen, in freier Landschaft und Natur, liefern erst Weitwinkelobjektive den ganzen beeindruckenden Überblick. Da Weitwinkelobjektive zwar mehr Details abbilden, diese dafür aber kleiner, bringen sie den Fotografen zwangsläufig dem Motiv näher: Spätestens, nachdem er sich ein paar Mal über die viel zu kleinen Menschen weit hinten auf seinen Fotos geärgert hat, geht er näher ran. Wer z. B. einen sechs Meter hohen Baum formatfüllend fotografieren will, steht mit einem 50-mm-Objektiv in 12,5 m Entfernung. Mit einem 25-mm-Objektiv beträgt der Abstand für die gleiche Aufnahme nur noch 6,3 m. Die kürzere Aufnahmeentfernung führt zu einer dynamischeren Perspektive, sodass sich der Bildbetrachter ebenfalls mehr in das fotografierte Geschehen einbezogen fühlt. (Beispiel: die "Kartenspieler" links oben) Dieser "Live"-Charakter wird gerne von Reportage-Fotografen genutzt. Und gerade bei kurzen Entfernungen ist die große Schärfentiefe willkommen, denn sie macht Weitwinkelobjektive zu den idealen Schnappschussobjektiven. Dazu kommt praktischerweise dann auch eine geringere Verwacklungsgefahr bei kürzeren Belichtungszeiten aus freier Hand.

Praxis-Tipp: Achten Sie bei Weitwinkel-Aufnahmen auf den Vordergrund. Vermeiden Sie dort leere Flächen, wenn Sie nicht gerade die Weite des Meeres betonen wollen. Leerer Vordergrund ist langweilig und macht das Hauptmotiv klein. Abhilfe: näher ran gehen oder anderen Standpunkt mit Vordergrund-Elementen suchen. Achten Sie auf störende Elemente, etwa einen unschönen Papierkorb vor dem Prachtschloss, auch wenn solche Details sich heute mit Photoshop im Gegensatz zu "analogen Zeiten" leicht nachträglich entfernen lassen.

Brennweitreihe 50-300mm
... Je kürzer Brennweite und Entfernung, desto mehr Gewicht bekommt der Vordergrund. Solche Fotos wirken meist dynamischer. Die mit zunehmender Brennweite immer größere Entfernung vermittelt durch die flachere Perspektive auch visuell die Distanz zum Motiv.
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Mögliche Probleme: "Stürzende Linien". Besonders bei Architekturaufnahmen aus kurzen Entfernungen fallen diese störend auf. Sie sind kein Konstruktionsfehler eines Objektivs, sondern perspektivisch bedingt. Was tun? Wenn sich stürzende Linien nicht vermeiden lassen, machen Sie sich diese zunutze, indem Sie sie vielleicht durch einen noch tieferen Standpunkt besonders betonen, um durch die übersteigerte Perspektive die Bildwirkung, Höhe oder Tiefe zu dramatisieren.

"Eierköpfe". Auch gegen die mit Weitwinkel manchmal auftretenden, unschön wirkenden "Eierköpfe" von Personen in den Bildecken lässt sich bei der Aufnahme wenig machen. Nachträgliche Abhilfe versprechen höchstens spezielle Bildbearbeitungsprogramme wie DxO Pro.

Dunkle Bildecken. Physikalische Ursachen haben auch die manchmal auffallenden dunkleren Bildecken, z. B. bei Aufnahmen mit großer Blendenöffnung und blauem Himmel bei kurzen Brennweiten (natürliche Vignettierung). Bei Digital-SLR-Kameras spielen zusätzlich noch die Eigenschaften des Bildsensors eine Rolle: Vor allem bei Vollformat-Sensoren verstärken Abschattungseffekte der Schichten bei schrägen Eckstrahlen die Vignettierung. Abhilfe: Photoshop erlaubt eine unkomplizierte nachträgliche Korrektur unter dem irreführenden Menüpunkt "Verzerrungsfilter".

Teleobjektive: Für PaparazziAls Teleobjektiv gilt, was mehr als 50 mm Brennweite und weniger als 40° Bildwinkel hat. Ab ca. 80 mm Brennweite wird der Tele-Effekt richtig deutlich. Das sie weniger Details erfassen, diese aber größer abbilden, wirken Teleobjektive wie Ferngläser. So kommen sie hauptsächlich bei Fernaufnahmen zum Einsatz. Teles mit Brennweiten im Bereich von 80 bis 100 mm sind klassische Porträtobjektive. Landschafts-, Tier- und Sportfotografen ebenso wie Paparazzi lieben noch längere Brennweiten.

Teleobjektive komprimieren die Perspektive. Daher tritt bei tiefengestaffelten Motive eine Art Kulisseneffekt auf, der Fotos einen besonderen Reiz verleihen kann. Je länger die Brennweite, desto geringer die Schärfentiefe. Das ist kein Nachteil, wenn man die gezielte Fokussierung als Gestaltungsmittel nutzt. So lässt sich die Aufmerksamkeit des Bildbetrachters auf ein scharf fokussiertes Hauptmotiv lenken, z. B. bei einem Portrait, und störender Hintergrund verschwindet unter dem Mantel gnädiger Unschärfe.

Brennweitreihe 12-35mm
Diese Bildserie zeigt den klassischen Brennweitenvergleich. Alle Fotos wurden vom selben Standpunkt aus aufgenommen. Dabei ändert sich mit dem Bildwinkel die Abbildungsgröße, nicht aber die Perspektive. ...
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Praxis-Tipp: Tele-Aufnahmen von Menschen zeigen leicht einen ungewollt voyeuristischen Paparazzi-Effekt. Nutzen Sie längere Tele-Brennweiten für Personenaufnahmen nur zur bewussten Bildgestaltung oder wenn es unvermeidlich ist, nicht aber aus Bequemlichkeit.Mögliche Probleme: Verwackeln. Je größer der Abbildungsmaßstab, je geringer die Lichtstärke, desto eher droht Verwacklung. Seien Sie umso vorsichtiger, je länger die Brennweite und je kürzer die Aufnahmeentfernung ist.

Abhilfen: 1. Rechte Hand an die Kamera, linke stützt das Objektiv von unten, Arme an den Körper drücken. 2. Kamera oder Objektiv mit Bildstabilisator. 3. Stativ oder Kamera irgendwo abstützen. 4. ISO-Wert hochsetzen.

Zoomobjektive: UniversalgeniesZoomobjektive mit ihren veränderlichen Brennweiten vereinen eine oder mehrere der vorgenannten Objektivarten und überwinden die klassischen Grenzen. Heute werden Digital-SLR-Kameras meist im preisgünstigen Set mit einem 18-55-mm-(28-85-mm KB)-Zoom angeboten. Diese Objektive mit einem Brennweitenbereich, in dem normalerweise die große Mehrzahl der Fotos aufgenommen wird, haben die klassischen 50-mm-Objektive in der Rolle als Standardoptik abgelöst.

Zooms werden nicht nur durch den reinen Brennweitenbereich charakteristisiert, sondern zudem durch ihren Zoomfaktor. Er kennzeichnet das Verhältnis von längster zu kürzester Brennweite und beschreibt, wie stark sich der Abbildungsmaßstab beim Zoomen von einem Brennweitenextrem zum anderen verändert. So hat ein Dreifachzoom 18-55 mm (KB: 28-80 mm) trotz kleinerer Brennweitendifferenz einen genauso ausgeprägten Zoomeffekt wie ein 50-150-mm- (75-225-mm)-Zoom. Anders verhält es sich beim Bildwinkel. 7 mm Brennweitendifferenz zwischen 21 mm und 28 mm kürzester Brennweite stehen für einen Unterschied von 12° beim Bildwinkel (92° zu 75°) , während 65 mm zwischen 135 und 200 mm nur rund 6° Bildwinkeldifferenz  (18° zu 12°) ausmachen. Ein bisschen mehr Weitwinkel bringt also deutlich mehr Gestaltungsspielraum als ein bisschen mehr Tele.

Mit ihren praktischen Vorzügen haben Zoomobjektive die Festbrennweiten zu Recht vom Massenmarkt verdrängt. Sie ermöglichen schnelle Reaktion auf unterschiedlichste Motive und bieten bei weniger Gewicht mehr Brennweite fürs Geld. In den jeweiligen Brennweitenbereichen gelten natürlich die zu den Objektivkategorien beschriebenen Eigenschaften, von der Lichtstärke im Normalbereich mal abgesehen.

Die optische Qualität vieler Zooms hat dabei ein so hohes Niveau erreicht, dass ColorFoto sein Test-Prädikat "digital empfohlen" besten Gewissens vergeben kann. Vielleicht etwas stärker als bei Festbrennweiten ausgeprägte Verzeichnung und Vignettierung sind bei Digitalfotos dank zahlreicher nachträglicher Korrekturmöglichkeiten am Computer zudem weniger kritisch als früher bei Dia und Negativ. Gleiches gilt dank Bildstabilisierung vieler SLR-Systeme auch für die etwas geringeren Lichtstärken.

Praxis-Tipp: Zoomobjektive machen träge. Zoomen Sie nicht nach dem Motto "Was nicht passt, wird passend gemacht" einfach hin und her, um den Bildausschnitt zu verändern, falls Ihnen ein Motiv noch nicht gefällt. Nicht eine neue Brennweite, erst ein anderer Standpunkt bringt auch eine neue Perspektive.

Brennweitreihe 50-300mm
... Bei jeweils entsprechend starker Ausschnittvergrößerung würde das Auto über alle Brennweiten von Weitwinkel bis Tele immer gleich dargestellt.
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Mögliche Probleme: Vorsicht beim Zoomen in den langen Telebereich, hier droht doppelt Verwacklungsgefahr durch den größeren Abbildungsmaßstab und die geringere Lichtstärke.

Makroobjektive: Im NahbereichMit immer geringerer Aufnahmeentfernung nehmen die Bildfehler "normaler" Objektive immer stärker zu. Das fällt dann vor allem in den Randbereichen der Fotos auf. Makroobjektive bieten daher  nicht einfach nur längere Fokussierwege, um kürzere Aufnahmeabstände zu ermöglichen. Vor allem sind sie in ihrer optischen Konstruktion für größere Abbildungsmaßstäbe bis hin zu 1:2 oder gar 1:1 (Originalgröße)  optimiert. Die "Makro"-Einstellung vieler Zoomobjektive ersetzt nämlich kein echtes Makroobjektiv. Mit dem Zoom-Makro setzt man seine kleinen Motive zwar größer ins Bild, aber nicht in der optimalen Qualität, was Schärfe, Verzeichnung und Vignettierung angeht. Kritisch sind vor allem ebene Objekte. Wenn Sie also detailreiche Motive von der Pflanze bis zur Briefmarke aus Opas Sammlung in Originalgröße und bestmöglicher Qualität reproduzieren wollen oder gar in wissenschaftlich-technischen Bereichen arbeiten, führt kein Weg an einem "echten" Makroobjektiv vorbei.

Praxis-Tipp: Viele Makroobjektive können auch problemlos für ganz normale Fernaufnahmen verwendet werden und sind eine Alternative zu einem normalen Objektiv.

Makro-Optiken mit kürzerer Brennweite sind das Mittel der Wahl, wenn es auf möglichst große Abbildungsmaßstäbe ankommt. Der Vorteil von Tele-Makros liegt in einer größeren Aufnahmedistanz, die bei gleichem Abbildungsmaßstab mehr Freiraum bei der Beleuchtung lässt und mit der Sie ggf. Insekten nicht so schnell verscheuchen.

Mögliche Probleme: Wegen des größeren Entfernungs-Einstellbereichs braucht der Autofokus oft länger, bis er die richtige Scharfeinstellung gefunden hat. Wegen der geringen Schärfentiefe muss zudem auf das richtige Detail scharfgestellt werden, sodass viele Makrofotografen manuell scharfstellen. Hinzu kommt die größere Verwacklungsgefahr. Ohne Stativ lässt sich die volle Qualität eines Makroobjektivs deswegen kaum ausschöpfen.

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