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Sensortechnologie mit Nanotechnik

25.8.2010 von Dominic Groß

Die neue Sensortechnologie von InVisage soll bei Bildsensoren mit kleinen Pixeln, wie in Mobiltelefonen oder Kompaktkameras, für eine höhere Bildqualität sorgen und Lichtempfindlichkeit wie Kontrastumfang steigern.

ca. 6:30 Min
Ratgeber
VG Wort Pixel
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InVisage-Pixelarchitektur (rechts) und Standard-CMOS- Pixel (links). InVisage setzt auf ein herkömmliches Pixel, das mit einem Quantenfilm überzogen ist. Der Quantenfilm soll dabei die Lichtempfindlichkeit steigern.
© Invisage

Die Idee von InVisage, deren Grundlagen an der Universität Toronto entwickelt wurden, ist schnell erklärt: Bisher wird sowohl der lichtempfindliche Teil des Sensors als auch die weiteren Schaltungen, z. B. zum Auslesen des Sensors, aus Silizium hergestellt. InVisage verwendet dagegen als lichtempfindliches Material einen "Film" aus Halbleiter-Nanokristallen, sogenannte Quantenpunkte. Zur Ansteuerung und zum Auslesen der Pixel wird weiterhin ein Siliziumchip mit herkömmlichen Transistorschaltungen verwendet. Dieser Chip wird mit einem Film aus Quantenpunkten überzogen.


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Direkte (links) und indirekte (rechts) Bandlücke. Bei einer indirekten Bandlücke sind die Minima und Maxima der Bänder gegeneinander verschoben. Ein direkter Übergang ist hier nicht möglich. Ein indirekter Übergang wie im Bild erfordert einen zusätz-lichen Quasi-Impuls.
© Archiv

FunktionsweiseDer lichtempfindliche Teil des Sensors, der Quantenfilm, ist ein Fotowiderstand. Einfallendes Licht mit ausreichender Energie sorgt dafür, dass der elektrische Widerstand des Quantenfilms sinkt. Legt man eine gleich bleibenden Spannung an den Quantenfilm an, fließt desto mehr Strom, je mehr Licht auf den Quantenfilm fällt.

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Ebene (links) und vertikale (rechts) Pixelstruktur. Bei der ebenen Struktur fließt ein Strom zwischen den äußeren Kontakten (1) und dem individuellen Kontakt des Pixels (2). Der Strom fließt dabei hauptsächlich durch die dunkelblauen Bereiche. Die hellblauen Bereiche über den Kontakten tragen wenig zum Fotostrom bei.
© Archiv

Der Prozess, der dabei im Quantenfilm ausgelöst wird, lässt sich mittels zweier Energiebänder erklären (siehe Bild). Im Valenzband sind Elektronen gebunden und können keine Ladung transportieren. Im Leitungsband, auf einem höheren energetischen Niveau, befinden sich freie Elektronen, die zur Leitfähigkeit des Materials beitragen. Die beiden Bänder sind bei einem Halbleiter durch die sogenannte Bandlücke getrennt. Diese Bandlücke kann nicht von Elektronen besetzt, sondern nur übersprungen werden, wenn einfallendes Licht eine bestimmte Energie auf ein Elektron überträgt.

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Quanteneffizienz für einen PbSe Quantenfilm.
© Archiv

Die Größe der Bandlücke hat daher einen entscheidenden Einfluss auf die Fähigkeit eines Halbleiters, Licht einer bestimmten Wellenlänge in Ladungsträger umzuwandeln. Zudem ist zwischen einer direkten und indirekten Bandlücke zu unterscheiden. Eine indirekte Bandlücke kann nicht direkt durch einen Energie-Impuls, sondern nur mit Hilfe eines zusätzlichen Quasi-Impuls überwunden werden. Dies wirkt sich negativ auf die Lichtempfindlichkeit aus.

Silizium verfügt über eine indirekte Bandlücke, beim Quantenfilm liegt eine direkte Bandlücke vor. Zudem kann die Bandlücke über die Größe der Quantenpunkte eingestellt werden. Theoretisch lässt sich so eine höhere Lichtempfindlichkeit als bei Silizium erzielen. Zudem müssen Photonen, um absorbiert zu werden, nicht so tief in den Quantenfilm eindringen wie in Silizium. Dies reduziert das Risiko für Übersprechen zwischen benachbarten Pixeln. Außerdem ist es denkbar, aus Quantenfilmen für verschiedene Wellenlängenbereiche einen Sensor mit mehreren Schichten zu entwerfen.

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Ebenes Kontaktlayout (Draufsicht): ein individueller Kontakt (1402) pro Pixel (1403) und gemeinsamer Kontakt (1401) für alle Pixel.
© Archiv

PixelarchitekturUm die elektrischen Kontakte zum Quantenfilm zu realisieren, gibt es mehrere Möglichkeiten. Am wahrscheinlichsten ist, dass eine ebene Struktur verwendet wird, bei der sowohl Plus- als auch Minuspol unterhalb des Quantenfilms liegen. Eine andere interessante Variante ist ein vertikaler Aufbau, bei dem ein Kontakt unter und ein transparenter Kontakt über dem Sensor liegt. Neben den Kosten spricht gegen diese Variante, dass der transparente Kontakt schwer gleichmäßig zu fertigen ist. Der Nachteil des ebenen Aufbau ist, dass nicht durch alle Bereiche des Quantenfilms gleich viel Strom fließt (siehe Skizze). Dies führt dazu, dass der Füllfaktor zwar scheinbar 100% ist, aber die Bereiche oberhalb von Kontakten kaum Einfluss auf den Stromfluss haben. Hierdurch reduziert sich die Lichtempfindlichkeit des Sensors.

Da der Quantenfilm eine kontinuierliche Fläche ist, kann die Aufteilung in Pixel nur durch die Kontakte erfolgen. Bei der ebenen Struktur ist dazu ein Kontakt spezifisch für jedes Pixel, ein weiterer Kontakt zwischen allen Pixeln geteilt. Zum Ansteuern und Auslesen des Pixel kann dabei ein Standard-CMOS-Pixel mit 3 oder 4 Transistoren (3T bzw. 4T) verwendet werden. InVisage verwendet wohl ein 3T-Pixel. Im Vergleich zu einem 4T-Pixel bedeutet dies ein erhöhtes Rauschen, da sich das Pixel vor der Belichtung nicht so gut zurücksetzen lässt.

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Bei Fotodioden im Sperrbetrieb hängt der Strom nur von der einfallenden Lichtmenge ab (links). Beim Quantenfilm hängt der Fotostrom von der angelegten Spannung und der Beleuchtung ab (rechts).
© Archiv

Empfindlichkeit steigernÄhnlich wie bei Sensoren, die von der Rückseite beleuchtet werden (BSI), liegt der lichtempfindliche Quantenfilm über den Leiterbahnen und Schaltungen des Sensors. Diese stehen also dem Licht nicht mehr im Weg (hoher Füllfaktor). Hinzu kommt laut InVisage eine im Vergleich zu Silizium deutlich höhere Lichtempfindlichkeit des Quantenfilms sowie ein hoher Kontrastumfang. Vergleicht man aber die Daten aus Patentanmeldungen von InVisage mit aktuellen BSI-CMOS-Sensoren ergibt sich hier kein für uns erkennbarer Vorteil für den Quantenfilm.

Entscheidend für die Lichtempfindlichkeit eines Sensors ist die Quanteneffizienz (QE), die beschreibt, wie viel Prozent des einfallenden Lichts in Ladungsträger umgewandelt wird. InVisage verspricht insgesamt eine Steigerung der Lichtempfindlichkeit um den Faktor 4, der sich aus einer Verdoppelung der Quanteneffizienz sowie dem verbesserten Füllfaktor zusammensetzt. Im Vergleich zu aktuellen BSI-Sensoren bleibt de facto nur der Vorteil durch die vermeintlich höhere QE übrig. Dabei ist es ist nicht klar, welches Material InVisage genau einsetzt, aber die in Patentanmeldungen gezeigten Materialien haben ohne Farbfilter eine maximale QE von ca. 70%. InVisage scheint, zumindest vorerst, Farbfilter zu verwenden, damit ergibt sich eine QE von ca. 60%. BSI-Sensoren inklusive Farbfilter erreichen Werte zwischen 50% und 60%. Eine höhere QE erscheint beim Quantenfilm möglich, aber von einer viermal höheren Lichtempfindlichkeit kann eigentlich keine Rede sein.

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Spannungsverläufe bei konstanter Beleuchtung für Fotodiode (links) und Quantenfilm (rechts) mit 3T-Pixel. Bei der Fotodiode fällt die Spannung linear in Abhängigkeit von der Beleuchtung. Beim Quantenfilm ist der Zusammenhang nichtlinear, dies ermöglicht einen größeren Kontrastumfang.
© Archiv

Technische ProblemeDas Arbeitsprinzip des Fotowiderstands hat zudem einige Nachteile gegenüber Fotodioden. Die Reaktionszeit eines Fotowiderstands liegt üblicherweise im Bereich von Millisekunde oder sogar Sekunden. Für kurze Belichtungszeiten ist dies sehr problematisch. Laut Patentanmeldungen wurden beim Quantenfilm Reaktionszeiten von ca. 1 ms erreicht. Das ist für eine SLR sicher nicht ausreichend, dürfte aber für eine Handykamera vorerst kein Problem darstellen. Zum Vergleich: Die Reaktionszeit von Fotodioden liegt üblicherweise im Nanosekunden-Bereich.

Ein weiterer Nachteil sind stochastische Rekombinationsprozesse von Ladungsträgern im Quantenfilm. Die vom Licht erzeugten Ladungsträger haben nur eine gewisse Lebensdauer, die unter anderem von der einfallenden Lichtmenge und der Temperatur abhängt. Dies sorgt dafür, dass der Zusammenhang zwischen Widerstand und einfallender Lichtmenge veränderlich ist. Im Vergleich zu Fotodioden, bei denen solche Rekombinationsprozesse quasi keine Rolle spielen, gibt es also beim Quantenfilm eine weitere Quelle für Bildrauschen.

Ein weiteres Problem ist, dass der Kontakt zwischen Film und Schaltungen möglichst gut sein muss. Das bedeutet insbesondere, dass sich bei der Fertigung keine Ablagerungen oder Oxidschichten bilden dürfen. Zudem muss der Übergangswiderstand und die Größe der Kontaktfläche einheitlich sein, andernfalls würden sich Muster im Bild zeigen.

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3T-Pixel mit Quantenfilm (4), und Transistoren zum Zurücksetzen (1), Auslesen (2) und zur Auswahl einer Zeile (3).
© Archiv

Kontraste besser erfassenVorteile für Bildsensoren mit Quantenfilm könnten sich beim Kontrastumfang ergeben. Bei einer Fotodiode, die in Bildsensoren im Sperrbereich betrieben wird, ist der Strom nur von der Lichtmenge abhängig. Im Gegensatz dazu ist der Strom über den Quantenfilm sowohl von der angelegten Spannung als auch von der einfallenden Lichtmenge abhängig. Dies kann man sich wie folgt zunutze machen.

Nach dem Zurücksetzen des Pixels (Transistor 1) liegt am Quantenfilm eine Spannung von 2,5_V an. Durch die Belichtung fließt ein Strom über den Film 4, und die Spannung am Quantenfilm fällt, wodurch sich gleichzeitig der Fotostrom verringert. Das Pixel reagiert damit nichtlinear auf das einfallende Licht - je größer die Lichtmenge desto geringer wird die Lichtempfindlichkeit. Im Gegensatz zu einer Fotodiode ist das Pixel dadurch nicht so schnell gesättigt, und es lässt sich ein deutlich höherer Kontrast abbilden (siehe Bild). Die Auflösung von Helligkeitsunterschieden ist dadurch zwar für große Helligkeiten geringer, aber dies entspricht dem menschlichen Empfinden.

Fazit: Eine Binsenweisheit in der Halbleiterindustrie besagt, dass ein neues Material gegen Silizium nur eine Chance hat, wenn die Performance 10mal besser ist. Für den Quantenfilm stehen damit die Vorzeichen nicht gut. Einigen viel versprechenden Vorteilen, wie die potentiell höhere Lichtempfindlichkeit, der hohe Kontrastumfang und die geringe Eindringtiefe der Photonen stehen dabei viele Herausforderungen bei der Fertigung gegenüber. Insbesondere die Aufgabe, den Quantenfilm an bestehende Sensor- und Fertigungstechniken anzupassen, um standardisierte Fertigungsprozesse verwenden zu können, erscheint sehr komplex. Zudem muss sich zeigen, ob sich die Lichtempfindlichkeit des Quantenfilms noch steigern lässt.

Geht es nach den Plänen von InVisage, werden die ersten Produkte Ende 2011 oder Anfang 2012 verfügbar sein, erst dann lässt sich wohl beurteilen, wie gut die neue Technologie wirklich ist. In Anbetracht der momentan eher wagen Informationen, dem doch recht exotischen Ansatz sowie dem Mangel an Testbildern erscheint dieser Zeitplan etwas optimistisch.

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